Revolutionäre Technologie für Automobil-Radarsysteme

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Das Fraunhofer IEM arbeitet im BMBF-Projekt MID4Automotive daran, Automobil-Radarsysteme direkt in die Kunststoffoberflächen von Stoßstangen und Spiegeln zu integrieren. Dieses ermöglicht eine umfänglichere Erfassung der Umgebung und ist die Grundlage für zukünftiges autonomes Fahren. Die hier eingesetzte Technologie Mechatronic Intergrated Device (MID) ermöglicht das partielle Metallisieren von Kunststoppoberflächen mittels eines Lasers. Somit können diese feinen Strukturen für das 77GHz-Radarsystem auf beliebig geformten Oberflächen abgebracht werden. In einem Interview mit unserem MID-Experten Thomas Mager erhalten wir Einblicke in den aktuellen Stand der Umsetzung, die Herausforderungen und das Potenzial dieser wegweisenden Technologie.

MID4Automotive
© Fraunhofer IEM
Im Projekt MID4Automotive erforscht das Fraunhofer IEM Integrationsverfahren auf spritzgegossenen Schaltungsträgern für verbesserte Radarsysteme im Automobil.

1.       Was steckt hinter der Technologie MID-Technologie und welche Bedeutung hat sie für die Automobilindustrie?

MID steht für Mechatronic Integrated Device oder auch Molded Interconnect Device. Es ist eine Technologie, welche es ermöglicht, Kunststoffteile partiell zu metallisieren, um darauf elektronische Schaltungen zu integrieren. Der Clou: Komplexe Elektronik lässt sich so auf kleinstem Bauraum integrieren. Entwickler:innen bekommen mit MID ganz neue Designmöglichkeiten für technische Systeme. Jeder, der ein Smartphone hat, nutzt diese MID-Technologie bereits.

2.       Wie ist der Stand der Umsetzung in der Branche?

MID kommt aktuell in einigen Sensoren, Bedienteilen und Antennen im Auto zur Anwendung. Da der Herstellungsprozess und das Design sich von den Standardherstellungsverfahren unterscheiden, ist die Technologie noch nicht in Gänze im Automobilbau angekommen. Da hier sowohl mechanische und als auch elektronische Aspekte direkt ins Design einfließen, ist MID für die klassischen Entwicklungsprozesse ein Stillbruch. Dies ist vergleichbar mit der Einführung des 3D-Druckes. Entwickler:innen müssen ihre über Jahrzehnte gesammelten Erfahrung und ihre Methoden neu überdenken, um die Potentiale dieser Technologie zu erschließen.

3.       Muss noch viel Pionierarbeit geleistet werden?

Ja, wir müssen zeigen, dass die Symbiose von Mechanik und Elektronik viele Vorteile mit sich bringt. Die Herausforderung ist, dass man nicht einzelne Teilsysteme substituiert, sondern das Gesamtsystem im Auge behalten muss. Das fällt vielen Entwickler:innen noch schwer, da der Entwurfsprozess in unterschiedliche Domänen unterteilt ist und man sich meist nur innerhalb dieser Domäne orientiert.

4.       Was ist das Ziel des Projektes MID4Automotive?

Wir wollen zeigen, dass man Automotive-Radar-Systeme, welche für das automatisierte Fahren unumgänglich sind, in die Kunststoffoberflächen, wie Stoßfänger, Seitenleisten, Spiegelgehäuse etc., integrieren kann. Somit können die wichtigen Radarsysteme erstmals rund um das Fahrzeug an den optimalen Stellen positioniert werden. Insbesondere in den Seitenflächen und Türen ist es bis heute fast unmöglich, die klassischen Radarmodule zu integrieren ohne designtechnische Kompromisse einzugehen. Es gibt auch keine praktikablen Alternativen zu den angestrebten 77GHz-Radaren. Speziell die Erfassung nach hinten und zur Seite ist für optische Systeme wie Lidar und Kameras sehr anspruchsvoll, da Verunreinigungen durch Straßenschmutz, Schneematsch etc. eine kontinuierliche Reinigung erforderlich machten würde. Dieses funktioniert derzeit nur bei den Frontkameras, da hier der Scheibenwischer für klare Sicht sorgt. Zudem hat Radar klare Vorteile bei schlechten Sichtbedingungen, wie Nebel, Regen und Schneefall. Da stoßen die optischen Systeme schnell an ihre Grenzen. Somit leisten wir mit dem Projekt MID4Automotive einen wichtigen Beitrag zur Verkehrssicherheit und zur Vermeidung von Unfällen für die zukünftigen Autogenerationen.

5.       Welche Ergebnisse stehen später auch anderen Unternehmen zur Verfügung?

Im Rahmen des Projekts werden verschiedene Ergebnisse erzielt, die auch für andere Unternehmen relevant sind. Dazu gehören innovative Methoden zur Chip-Integration in Kunststoffsubstraten sowie die Entwicklung von faseroptischen Anbindungen für Daten und Versorgung. Zudem werden Antennendesigns auf Kunststoffsubstraten entwickelt und die Radarsignalauswertung und -kalibrierung vorangetrieben. Weitere wichtige Aspekte des Projekts umfassen die Materialentwicklung und Kalibrierung im mm-Wellenbereich sowie Zuverlässigkeitsuntersuchungen.

6.       Welche Rolle übernimmt das Fraunhofer IEM im Projekt? Was ist unsere besondere Expertise?

Das Fraunhofer IEM koordiniert zum einen das Projekt auf der deutschen Seite zum anderen bringen wir unsere Kompetenzen im Bereich des Designs und der Fertigung von MID in verschiedenen Technologien in das Projekt ein. Ferner unterstützen wir in den Themenfeldern Modularität und Systemarchitektur. Daneben steuern wir noch unsere Kompetenz im Themenfeld der Hochfrequenz-Modellierung und -simulation und Messtechnik bei.

MID4automotive Logo
© MID4automotive

Das Projekt MID4automotive wird von 2023 bis 2026 im europäischen EUREKA Cluster vom Bundesforschungsministerium gefördert. Das Konsortium, zu dem u.a. Audi und Konrad gehören, ist vom Systementwurf über die Material- und Komponentenentwicklung bis zum Systemintegrator und Endanwender sehr gut aufgestellt, um die Technologie in eine zukünftige Liefer- und Wertschöpfungskette zu überführen. Weitere Informationen zum Projekt unter: https://www.elektronikforschung.de/projekte/mid4automotive