Die 6 wichtigsten Robotik-Trends 2022

Sie schleifen, schweißen und montieren. Sie messen, prüfen und beschriften. Schnell, präzise und unermüdlich. Aktuell arbeiten über 3 Mio. Industrieroboter in Fabriken rund um den Globus – Anzahl rasant steigend. Europaweit hat Deutschland mit 33 % den größten Anteil am europäischen Roboterbestand – und liegt nach China, Japan, Korea und den USA damit weltweit auf Rang 5. Die Zahlen der International Federation of Robotics (IFR) zeigen: Robotik und Automation ist eine der dynamischsten und wachstumsstärksten Branchen.

Die Anwendungsfelder für Robotik sind dabei vielfältig. Am Fraunhofer IEM sind wir nah dran an den neusten Trends der Automatisierung. Wir prüfen ihren Nutzen für unsere meist mittelständischen Industriepartner. Und bringen sie in die Praxis. Gemeinsam mit Ihnen schauen wir auf die Top-Robotik-Trends 2022 der International Federation of Robotics (IFR) – und zeigen Ihnen, wie andere Unternehmen diese bereits erfolgreich für sich nutzen.

Mann vor einer Maschine mit Greifarm
© Fraunhofer IEM / Wolfram Schroll
Das Fraunhofer IEM entwickelt einen kollaborativen Schweißroboter, der ohne Programmierkenntnisse einzurichten ist.

Trend 1: Neue Einsatzfelder

Neben der klassischen Industrieproduktion erobert die Robotik immer neue Bereiche wie E-Commerce, Service, Logistik, Bauwesen und Landwirtschaft. Treiber für diese Entwicklung sind laut IFR neue Verbraucher- und Vertriebstrends aber auch der Arbeits- und Fachkräftemangel.

Praxisbeispiel: Flexible Fertigung im Brückenbau

Auch am Fraunhofer IEM kommen unsere Robotik-Lösungen in neuen Branchen zum Einsatz: Das Stahlbauunternehmen SIBAU Genthin entwickelt und produziert große Stahlbrücken für Zugtrassen. Das Zusammenschweißen der immens großen Bauteile erfolgt derzeit in stationären Anlagen, die sehr viel Platz benötigen. Mit einer Kombination aus fahrerlosen Transportsystemen und Robotern ermöglichen wir das flexible dezentrale Bearbeiten dieser Bauteile. Die ortsunabhängige Fertigung gewinnt für die Baubranche in Zukunft an Bedeutung.

Trend 2: Leichtes Bedienen  

Ziel neuer Roboter-Generationen ist die einfache Bedienbarkeit und Inbetriebnahme. Laut IFR arbeiten Benutzeroberflächen zunehmend mit leicht verständlichen Symbolen und einer geführten Programmierung und ermöglichen somit auch ungelernten Fachkräften die Nutzung von Industrierobotik. Hersteller und Lösungsanbieter arbeiten zusätzlich an einer schnellen Inbetriebnahme durch vorkonfigurierte Lösungen. »Je komplexer die Anwendung jedoch ist, desto weniger erfolgreich sind vorgefertigte Lösungen«, gibt Christian Henke, Abteilungsleiter Scientific Automation am Fraunhofer IEM zu bedenken. »Der individuelle Entwicklungsaufwand mit maßgeschneiderter Sensorik- und Software, wird unserer Erfahrung nach mit hoher Qualität, Leistungsfähigkeit und Akzeptanz der Lösung belohnt.«

Praxisbeispiel: Kollaboratives Schweißes ohne Programmieren

Für das Unternehmen Moderne Industrietechnik MIT entwickelte das Fraunhofer IEM eine kollaborative Robotik-Lösung für einen vormals rein manuellen Schweißprozess. Der Prozess läuft teilautomatisiert ab, Mensch und Roboter arbeiten als Team zusammen. Mitarbeiter:innen richten den kollaborative Roboterarm flexibel und ohne Programmierkenntnisse auf neue Arbeitsaufträge ein und beschleunigen so die Rüstzeiten.

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Praxisbeispiel: Cobot-gestützte Prüfplätze für Intelligente Technische Systeme

Gemeinsam mit Diebold Nixdorf automatisieren wir Prüfplätze für die Echtgeld-Testung von Geldautomaten. Durch den Einsatz kollaborativer Roboter mit einfachen und intuitiven Einlern-und Programmierfunktionen ersetzt dabei das zeit- und kostenintensive Testen per Hand.

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Trend 3: Aus- und Weiterbildung

Laut IFR erkennen inzwischen sowohl Industrie als auch Regierungen den Bedarf an einer Grundausbildung für künftige Roboter- und Automatisierungssysteme. Robotik hat zudem das Potenzial, die Berufsbilder von Fabrikarbeiter:innen aufzuwerten »Bei unseren Industrieprojekten beobachten wir genau diesen Effekt: Schweißer oder Monteurinnen bedienen plötzlich komplexe Automatisierungslösungen. Wer jetzt motiviert ist, sich weiterzubilden, erhält ganz neue Karrierechancen«, erläutert Christian Henke.

Robotik in die Praxis umsetzen: Schulungen am Fraunhofer IEM

Und die Motivation zur Weiterbildung ist da: Unternehmen wie ABB, Fanuc, Kuka und Yaskawa verzeichnen in ihren Roboterkursen jedes Jahr zwischen 10.000 und 30.000 Teilnehmer:innen, so hat die IFR gezählt. Auch das Fraunhofer IEM bietet unternehmensindividuelle Beratungen und Trainings in den Bereichen Industrial Robotics und Steuerungstechnik. Der Vorteil hier: Wir richten unsere Schulungsinhalte passgenau auf Ihr Unternehmen und die Bedarfe Ihrer Belegschaft aus. Bis zum 30. August 2022 gibt es übrigens 10% Rabatt auf unser Schulungsangebot im Bereich Automatisierung.

Zu den Schulungen

Mann vor einer Maschine in einer industriellen Umgebung.
© Fraunhofer IEM | Wolfram Schroll
Im Robotics Lab des Fraunhofer IEM finden Unternehmen neueste Technologien und Anwendungen der Automatisierung.

Trend 4: Zukunftssichere Produktion

Als die IFR Anfang Februar ihre Robotik-Trends veröffentlichte, waren die verheerenden Auswirkungen des Krieges in der Ukraine noch gar nicht berücksichtigt. Doch bereits die Covid-Pandemie hatte gezeigt, welche Auswirkungen weltweite Krisen auf Lieferketten, Handelsbeziehungen und die Verfügbarkeit von Arbeitskräften haben. Covid gab vielen Unternehmen Anstoß für Investitionen in Robotik und Automatisierung, um ihre Produktion wieder näher an die Kundschaft zu rücken und flexibler zu werden.

Praxisbeispiel: Ersatzteile im eigenen Werk herstellen

Auf der diesjährigen Hannover Messe (30.5.-2.6.2022) automatisiert das Fraunhofer IEM zusammen mit Düspohl erstmalig die Bearbeitung komplexer Werkstoffe. Das KI-basierte Schleifsystem arbeitet 40% schneller als konventionelle Methoden. So ermöglicht es, wichtige Werkzeuge für die Ummantelung etwa von Fensterrahmen in wenigen Minuten vor Ort nachzuproduzieren. Dies bedeutet eine erheblich schnellere Ersatzteilproduktion im eigenen Werk. »Zum Begriff zukunftssichere Produktion gehört heute der Aspekt Nachhaltigkeit untrennbar dazu«, betont Christian Henke. »Der RoboGrinder zeigt in Ansätzen, welchen Nutzen Automatisierungslösungen hier haben: Unternehmen produzieren ihre Werkzeuge selbst und machen sich unabhängiger von Lieferketten. Logistische Aufwände können sie reduzieren oder ganz vermeiden.«

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Trend 5: Chancen intelligenter Datenanalyse  

In der klugen Auswertung und Nutzung von Produktionsdaten erkennt die IFR große Potenziale. Robotik-Systeme erfassen künftig Produktions- und Prozessdaten, analysieren sie und treffen auf dieser Basis eigene Entscheidungen: Sie korrigieren ihre Position, erkennen Fehler oder warten sich selbst.

Praxisbeispiel: Virtueller Fabrikations-Abnahmetest

Bei der amixon GmbH haben wir einen virtuellen Fabrikations-Abnahmetest entwickelt. Jedes der individuell gefertigten Mischgeräte wird vor der Auslieferung von den Kund:innen abgenommen indem genaue Maßkontrollen erfolgen. Normalerweise erfolgt das vor Ort in Ostwestfalen-Lippe. Ein digitales Messinstrument ermöglicht nun, diese Überprüfung virtuell vorzunehmen. Dafür trägt ein Roboter den Messkopf mit einer 3D-Bauteilvermessung und führt eine vollautomatisierte Abweichungsanalyse durch. Kund:innen sehen und prüfen ihre Produkte so persönlich – auch wenn sie selbst nicht vor Ort sind. Insbesondere den internationalen Kund:innen der amixon GmbH erspart das eine weite Anreise.

Trend 6: Dimensionen der Vernetzung

Künftige Roboter sind hochgradig vernetzte technische Systeme. Industrielle Kommunikation erfolgt bereits heute standortübergreifend und zwischen verschiedenen Akteur:innen. Sprechen wir von der Sicherheit einer Robotik-Anwendung, müssen wir sowohl die funktionale Sicherheit (Safety) als auch die Informationssicherheit (Security) im Blick haben – etwa mit einer integrierten Safety- und Security-Risikoanalyse direkt zu Beginn des Entwicklungsprozesses. Insbesondere in den Branchen Maschen- und Anlagenbau und Automatisierungstechnik gilt es, beide Kompetenzen in der Produktentwicklung viel stärker zusammenzubringen.

Praxisbeispiel: Safety und Security in der Robotik mitdenken

Eine Umfrage des Fraunhofer IEM zeigt: Viele Unternehmen berücksichtigen die Security allerdings noch viel zu wenig in ihrer Produktentwicklung. Wir sind überzeugt: Eine strukturierte Methode in Verbindung mit einem wirkungsvollen Softwarewerkzeug unterstützt Unternehmen dabei, Konflikte und Synergien zwischen Safety- und Security-Maßnahmen früh zu identifizieren. Am Fraunhofer IEM kombinieren wir dafür unsere Robotik-Expertise mit dem Know-how unseres IT-Security-Teams. Aktuell arbeiten wir in einem Forschungsprojekt an einer Methodik für die integrierte Betrachtung von Safety und Security in der Entwicklung und konzipieren ein entsprechendes Tool.

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